Poetry Slam von Emil Bosse

dort, wo der boden jeden schritt einen meter überwindung kostet
sich hoffnung nicht mehr zwischen häusern windet
und regung langsam rostet.
wo bewohner ihre bunker nicht verlassen
und unter bohnerwachspolierten böden
gesichter sich wandfarben anpassen.
wo generationen von ratten die straßen regieren
sich betonplatten vor sonnenlicht schieben
und sich höchstens noch geschwister verlieben.
dort, zwischen alten zechensiedlungen und kantigen hochhausbauten
im lauten smog über hüttenwerk und hochofen.
dort, wo malochen keine katastrophen verhinderte
ungehindert zechen starben und
von fusionierungen nur narben blieben.
dort, schaukelt die wiege der ruhrindustrie
ohne kost und logis
in den wellen des schwindenden wohlstands
nimmt kurs auf den leerstand und
hält noch am strand der perspektivlosigkeit.
weit und breit, so scheint es,
kein rettendes ufer der visionen
keine insel der ideen in sicht.

doch zwischen unruhiger ruhr und ängstlicher emscher
zwischen ratternden schienen und fließenden bussen
steht da ein berg
eine halde, hoch oben über der stadt
mit blick auf die herzen hinter den häusern
mit blick auf schlösser, theater und türme
mit blick auf bücher, bilder und bäder.
und da ist luft zum holen und
inmitten von atempausen fällt auf
vielleicht ist das viel eher
oberhausen.

und im nackten beton
da ist ein trotz dessen
ein wollen, ein wirken, ein tun
ein ich lass das jetzt nicht länger so ruhen.
und da sind füße, die tragen
münder, die fragen
hände, die greifen und
köpfe, die begreifen
dass wände zuerst in gedanken zu
wanken beginnen
doch ein innen wird außen und
draußen sind mauern
die sich wandeln
weil einige rausgehen
und handeln.

und dann trittst du ein
in einen supermarkt der ideen
lernst zuhören, lernst verstehen und
kannst dich nicht sattsehen
an den früchten der vielfalt
den körben voll kreativität und
du nimmst eine gemischte tüte der möglichkeiten
(aber ohne lakritz!)
trinkst einen schluck sozialer verantwortung und
zahlst wieviel du bereit bist zu geben
aber weil eben all dir dies gleichtun
ist alles ab heute kollektiveigentum.
und du trittst vielleicht ein – allein
aber du gehst hinaus – als teil eines aufbaus.

denn wessen stadt ist das
wenn nicht meine und
wessen stadt ist das
wenn nicht deine.

 

© Emil Bosse, 2018

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